
Der Fachtag Inklusion des Kinder- und Jugendrings Sachsen-Anhalt machte eindrücklich deutlich, wie umfassend das Thema Inklusion ist und wie sehr es uns alle betrifft. Einschränkungen können permanent, vorübergehend oder situativ auftreten, beispielsweise durch eine Behinderung, eine kurzfristige Verletzung oder eine Alltagssituation wie das Tragen eines Kleinkinds. Inklusion bedeutet daher, Strukturen so zu gestalten, dass möglichst alle Menschen teilhaben können.
Rechtliche Grundlagen
Im Grundgesetz ist in Artikel 3 Absatz 3 festgehalten: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Auch die UN-Behindertenrechtskonvention, die seit 2009 in Deutschland gilt, verpflichtet dazu, gleichberechtigte Teilhabe für Menschen mit Behinderung zu sichern. Damit wurde im Fachtag auch deutlich: Behinderung entsteht nicht nur durch individuelle Einschränkungen, sondern häufig durch Barrieren in der Umwelt und in gesellschaftlichen Strukturen.
Inklusive Veranstaltungsplanung
Ein Schwerpunkt des Fachtags lag auf der Frage, wie Veranstaltungen inklusiv gestaltet werden können. Dabei wurden drei Phasen beleuchtet:
- Vor dem Event: barrierefreie Einladung und Anmeldung, transparente Informationen zu Kosten, Anreise und Zugängen, Fristen und eine Bedarfsabfrage bei der Anmeldung. Wichtig ist es, alle zentralen Informationen kompakt bereitzustellen und weiterführende Details über Links oder QR-Codes zugänglich zu machen.
- Während des Events: Orientierungshilfen wie Beschilderungen, Untertitel bei Filmen, klare Ansagen zu Pausen, Essen oder Toiletten sowie Methoden, die verschiedene Bedürfnisse berücksichtigen. Auch Tempo, Lautstärke und Sichtbarkeit sollten regelmäßig überprüft werden. Ruhebereiche, Fidget-Toys oder Pointer können zusätzlich unterstützen.
- Nach dem Event: Wertschätzung für die Teilnehmenden, barrierefreie Feedbackmöglichkeiten, Technik-Check im Vorfeld künftiger Veranstaltungen und die Bereitschaft, regelmäßig Bedarfe abzufragen.
Digitale Barrierefreiheit spielt dabei eine zentrale Rolle, etwa durch die Beachtung von WCAG-Richtlinien bei Webseiten, Alternativtexte für Bilder und zugängliche Formulare.
Sprache als Schlüssel zur Teilhabe
Sprache prägt Identität, Zugehörigkeit und Beteiligung. Daher war ein weiterer Schwerpunkt die bewusste Sprachgestaltung. Empfohlen wurde: kurze Sätze statt Schachtelkonstruktionen, Verben statt schwerer Komposita, wenige Redewendungen und Abtönungswörter sowie visuelle Unterstützung durch Bilder oder Gesten.
Unterschieden wurde zwischen Leichter Sprache (DIN-Norm seit 2025, für Menschen mit Lernschwierigkeiten, mit fester Prüfung durch Betroffene) und Einfacher Sprache (DIN-Norm seit 2024, für Sprachlernende oder Menschen mit geringer Lesekompetenz). Beide Ansätze tragen dazu bei, mehr Menschen Zugang zu Informationen zu ermöglichen.
Gesellschaftliche Perspektiven
Neben den praktischen Tipps wurde auch die gesellschaftliche Dimension thematisiert. Inklusion bedeutet, bestehende Macht- und Herrschaftsstrukturen zu hinterfragen, sei es im Bildungssystem, in der Rechtsprechung oder im alltäglichen Sprachgebrauch. Der Begriff Ableismus verdeutlicht hierbei die Abwertung von Menschen mit Behinderung durch eine „nichtbehinderte Norm“. Darüber hinaus wurde auf weitere rechtliche Grundlagen wie das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und das neue Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) verwiesen, die für mehr Gleichstellung und Teilhabe sorgen sollen.
Fazit
Der Fachtag hat gezeigt: Barrierefreiheit ist kein einmal erreichter Zustand, sondern ein kontinuierlicher Prozess, der Stück für Stück gestaltet werden muss. Inklusion gelingt nur, wenn wir Strukturen gemeinsam verändern und sensibel auf unterschiedliche Bedürfnisse eingehen.
Herzlichen Dank an den Kinder- und Jugendring Sachsen-Anhalt für die gelungene Veranstaltung und an die Expert*innen für die bereichernden Beiträge!
Text: Annalena Palm
Bilder: Auslandsgesellschaft Sachsen-Anhalt e.V.