„Einfach machen!“ – Wie Berufsbildung ohne Grenzen jungen Menschen internationale Chancen eröffnet
Die Auslandsgesellschaft Sachsen-Anhalt e. V. (AGSA) bietet seit Kurzem im Rahmen des Projekts Berufsbildung ohne Grenzen eine Mobilitätsberatung für Auszubildende und Ausbildungsbetriebe an. Ziel ist es, jungen Menschen sowie kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in Sachsen-Anhalt den Zugang zu internationalen Berufserfahrungen zu erleichtern, interkulturelle Kompetenzen zu fördern und damit langfristig die Fachkräftesicherung im Land zu unterstützen.
Gerade KMU stehen in Zeiten globaler Märkte vor wachsenden Herausforderungen: Fremdsprachenkenntnisse, interkulturelle Sensibilität und Kenntnisse internationaler Arbeitsorganisationen werden zunehmend zu entscheidenden Erfolgsfaktoren – nicht nur für Auszubildende, sondern auch für Ausbilder*innen und Fachkräfte in verschiedensten Branchen.
Dennoch nehmen viele dieser Unternehmen bislang nur selten an grenzüberschreitenden Programmen teil. Die Gründe sind vielfältig: Informationsdefizite, organisatorische Hürden oder Unsicherheiten auf Seiten der Betriebe und Azubis. Hier setzt Berufsbildung ohne Grenzen an und schließt mit individueller Beratung, praxisnaher Begleitung und gezielten Förderinformationen – insbesondere im Rahmen von Erasmus+ – diese Lücke.
Gemeinsam mit den gewerblichen Kammern des Landes – IHK Magdeburg, IHK Halle-Dessau, HWK Magdeburg und HWK Halle – engagiert sich die AGSA dafür, Auslandsaufenthalte als festen Bestandteil der beruflichen Ausbildung zu etablieren. Unterstützt wird das Projekt durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), den Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und den Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH).
Für die Mobilitätsberatung konnte die AGSA zwei erfahrene Fachleute gewinnen: Izabela Peter und Thomas Böttcher sind landesweit Ansprechpartner*innen für Betriebe, Auszubildende und junge Fachkräfte, die internationale Erfahrungen sammeln und ihre interkulturellen Kompetenzen erweitern möchten.
Wie ihr Arbeitsalltag aussieht, wo die größten Chancen und Herausforderungen liegen und warum internationale Mobilität so wichtig für Sachsen-Anhalt ist, erzählen die beiden im Interview.

Hallo Izabela und Thomas. Danke, dass ihr euch die Zeit genommen habt. Bitte stellt euch zu Beginn bitte kurz vor.
Thomas
Mein Name ist Thomas Böttcher. Ich bin Mobilitäts- und Stipendienberater im Süden Sachsen-Anhalts und kann auf eigene Erasmus- und Auslandserfahrungen in Schweden und Ungarn zurückgreifen. Diese helfen mir sehr in meiner täglichen Beratungsarbeit.
Izabela
Ich bin Izabela Peter, Mobilitäts- und Stipendienberaterin im Norden Sachsen-Anhalts. Magdeburg ist seit vielen Jahren mein Zuhause.
Worum geht es beim Projekt „Berufsbildung ohne Grenzen“?
Thomas
Das Programm Berufsbildung ohne Grenzen (BoG) wird seit 2009 vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz gefördert. Es soll Unternehmen sowie deren Auszubildende und junge Fachkräfte für die Möglichkeiten der grenzüberschreitenden Mobilität während und nach der Ausbildung sensibilisieren.
Da viele Unternehmen international tätig sind, werden von den Beschäftigten immer mehr Fremdsprachenkenntnisse, interkulturelle Kompetenzen sowie Kenntnisse über unterschiedliche Arbeitsorganisationen, Arbeitstechniken und Technologien erwartet. Um diese Fähigkeiten zu fördern, unterstützt Berufsbildung ohne Grenzen Auslandserfahrungen bereits während der Ausbildung. Kooperationspartner sind der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZdH).
Seit wann seid ihr als Berater*innen tätig und welche Erfahrungen habt ihr bisher gesammelt?
Izabela
Thomas ist von Anfang an dabei, also seit 2009. Ich selbst bin im Sommer 2017 dazugekommen. In dieser Zeit haben wir vielfältige Erfahrungen gesammelt. Ich würde sie in vier Kategorien unterteilen:
- Azubis möchten ins Ausland, aber die Betriebe sind zurückhaltend.
- Betriebe wünschen sich Auslandserfahrungen für ihre Azubis, aber diese zögern aufgrund von Bedenken.
- Einige Azubis finden und organisieren ihren Aufenthalt vollständig selbst.
- Es gibt auch Azubis, die grundsätzlich Interesse haben, aber ohne Unterstützung und Motivation nicht aktiv werden.
Thomas
Seit Februar 2024 ist BoG bei der Auslandsgesellschaft Sachsen-Anhalt (AGSA) angesiedelt. Das entstand aus einem Gespräch zwischen Iza und dem AGSA-Geschäftsführer Krzysztof Blau. Schnell wurde klar, dass BoG thematisch sehr gut zu den laufenden Projekten der AGSA passt. So kam es zur Zusammenarbeit.

Wie läuft der Weg von der Beratung bis zum Auslandsaufenthalt ab?
Thomas
Der erste Kontakt entsteht oft durch Vorträge, Veranstaltungen, Messebesuche, persönliche Gespräche oder Empfehlungen. Die Beratung erfolgt telefonisch, persönlich, per Mail oder digital.
Jeder Auslandsaufenthalt wird individuell geplant: von der Bewerbung über die Suche nach einer Partnerfirma bis zur Durchführung des Praktikums. Es gibt keine Pauschallösungen – jeder Aufenthalt wird maßgeschneidert.
Welche Voraussetzungen müssen Azubis mitbringen und welche Vorteile ergeben sich?
Thomas
Teilnehmen können Auszubildende in einer dualen oder schulischen Ausbildung. Voraussetzungen sind in der Regel:
- Mindestalter 18 Jahre
- Abgeschlossenes erstes Ausbildungsjahr
- Grundkenntnisse in Englisch oder der jeweiligen Landessprache
- Gute Leistungen in Berufsschule und Ausbildung
- Freistellung durch Betrieb und Berufsschule
- Eine ordentliche Portion Eigeninitiative
Die Vorteile sind vielfältig: Die Teilnehmer*innen lernen neue Arbeitstechniken und -methoden kennen, verbessern ihre fachlichen und sprachlichen Fähigkeiten, entwickeln ihre Persönlichkeit weiter und stärken ihre Selbstständigkeit. Der Aufenthalt wird außerdem durch den Europass Mobilität offiziell dokumentiert.
Welche Möglichkeiten bestehen für Unternehmen und Ausbilder*innen?
Izabela
Auch für Unternehmen und Bildungspersonal gibt es spannende Möglichkeiten wie Jobshadowing und Ausbilderreisen. Beim Jobshadowing begleiten Fachkräfte Kolleg*innen im Ausland, um praxisnahe Einblicke in den Berufsalltag zu erhalten.
Ausbilderreisen sind stärker auf den Austausch zwischen mehreren Institutionen ausgerichtet.
Unsere Azubis und jungen Fachkräfte verbringen übrigens in der Regel drei Wochen in einem Gastbetrieb, der zu ihrem Ausbildungsprofil passt.
Was macht Berufsbildung ohne Grenzen so besonders?
Izabela
Wir sind mehr als ein Netzwerk – wir sind eine starke und engagierte Gemeinschaft. Trotz voller Terminkalender und großer Entfernungen bleibt der persönliche Austausch von Herzlichkeit, Hilfsbereitschaft und Vertrautheit geprägt – sowohl online als auch vor Ort.
Wo seht ihr zukünftige Herausforderungen?
Thomas
Die Finanzierung von Bildungs- und Stipendienprogrammen in der Zukunft bleibt eine zentrale Herausforderung.
Izabela
Ich sehe zudem gesellschaftliche Hürden. Der europaweite Rechtsruck zeigt, wie wichtig Programme wie Erasmus+ gerade jetzt sind.
Neben dem Kennenlernen anderer Länder geht es vor allem darum, selbst zu erleben, wie es ist, „der oder die Fremde“ zu sein. Viele Azubis machen unvergessliche Erfahrungen. Nicht alles läuft reibungslos – aber genau das fördert die Fähigkeit, sich zurechtzufinden, Missverständnisse auszuhalten und sich einzubringen. Das stärkt Offenheit, Reflexion und Resilienz – Eigenschaften, die wir heute dringend brauchen.
Ich bin überzeugt: Wer diesen Schritt einmal gegangen ist, denkt anders – über sich selbst, Europa und die Welt.

Wie wird das Projekt derzeit angenommen?
Izabela
Deutschlandweit wird das Projekt sehr gut angenommen – in manchen Regionen gibt es sogar Wartelisten. In Sachsen-Anhalt gibt es aktuell noch viele freie Kapazitäten.
Thomas
Lernaufenthalte im Ausland sind nach wie vor ein Nischenthema im Bildungskanon. Doch durch die notwendige Beratung wird das Angebot seit 2009 kontinuierlich gut angenommen.
Welche Erfolge und besonderen Momente sind euch besonders in Erinnerung geblieben?
Izabela
Mein persönliches Highlight bleibt mein erster Azubi Martin Schmidt. Er absolvierte ein Praktikum in England, organisierte später ein weiteres auf Malta und wurde schließlich EuroApprentice, also Erasmus+ Botschafter für Sachsen-Anhalt. Seine Begeisterung hat mich nachhaltig motiviert.
Thomas
Besondere Momente waren unter anderem die Entsendung einer Friseurin nach Island, Gruppenprojekte mit Ungarn, Griechenland, Spanien und Österreich sowie ein gemeinsames Backen deutscher und spanischer Lehrlinge an einer galizischen Berufsschule.
Was motiviert euch persönlich, bei diesem Projekt mitzuwirken?
Izabela
Der gelebte Austausch ist ein Schlüssel für eine offene, reflektierte und widerstandsfähige Gesellschaft. Ich möchte, dass alle jungen Menschen die Chance bekommen, über sich hinauszuwachsen und ihre Zukunft aktiv mitzugestalten.
Thomas
Weil wir junge Menschen, Ausbilder*innen und Unternehmen dabei unterstützen, sich weiterzuentwickeln und zukunftsorientiert zu handeln.
Wie seid ihr selbst zum Projekt gekommen?
Izabela
Im Mai 2017 habe ich bei deutsch-polnischen Gesprächen zwischen der Handwerkskammer Magdeburg und der Handwerkskammer Breslau dolmetscht. Im Gespräch kam das Thema einer bald vakanten Stelle im Erasmus+-Projekt auf. Ich habe mich beworben und wurde Teil des Teams.
Thomas
Ich bin seit 2009 dabei und hatte das große Glück, Berufsbildung ohne Grenzen mit aufzubauen.
Was möchtet ihr interessierten Unternehmen und Azubis abschließend mitgeben?
Izabela & Thomas
Einfach machen! Wann, wenn nicht jetzt? Wir ermutigen alle, die mit Ausbildung zu tun haben, den ersten Schritt zu wagen. Kommt auf uns zu und erfahrt aus erster Hand, wie unkompliziert ein Auslandspraktikum sein kann.
Vielen Dank an euch für das Interview. Wir freuen uns euch im Team zu haben und wünschen ganz viel Erfolg.
Im Gespräch mit Izabela und Thomas wird deutlich: Ein Auslandspraktikum bietet jede Menge Chancen – für Auszubildende genauso wie für Ausbildungsbetriebe. Neben neuen Arbeitstechniken und Fachwissen entstehen vor allem interkulturelle Erfahrungen, bessere Sprachkenntnisse und wichtige soziale Kompetenzen. Genau diese Fähigkeiten werden immer wichtiger, auch und gerade in Sachsen-Anhalt.
Mit dem Projekt Berufsbildung ohne Grenzen unterstützt die Auslandsgesellschaft Sachsen-Anhalt e. V. dabei, den Schritt ins Ausland einfach und gut vorbereitet zu organisieren. Egal ob es um die Planung, Partnersuche oder Fördermöglichkeiten geht – das Team begleitet den gesamten Prozess und steht mit Rat und Tat zur Seite.
Jetzt die Chance nutzen!
Ob Ausbildungsbetrieb, Kammer, Berufsschule oder Auszubildende und junge Fachkräfte, wer internationale Berufserfahrung sammeln möchte, kann sich unkompliziert informieren und beraten lassen. Ein Auslandspraktikum ist oft einfacher umsetzbar als gedacht.
Mit dem bundesweiten Förderprogramm „Berufsbildung ohne Grenzen“ unterstützt die Auslandsgesellschaft Sachsen-Anhalt e.V. kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie deren Auszubildende und junge Fachkräfte dabei, internationale Berufserfahrungen zu sammeln und interkulturelle Kompetenzen zu entwickeln.
Unsere erfahrenen Mobilitätsberater*innen informieren zu Möglichkeiten, Auslandsaufenthalte für Auszubildende und junge Fachkräfte zu gestalten – individuell, praxisnah und im engen Austausch mit Betrieben, Kammern und Berufsschulen.
Unsere Angebote
- Beratung und Begleitung bei der Planung und Durchführung von Auslandspraktika
- Unterstützung bei der Partnersuche im Ausland
- Informationen zu bestehenden Förderstrukturen (z. B. Erasmus+ Förderung)
Ziel ist es, internationale Mobilität in der beruflichen Bildung zu fördern und die Fachkräftesicherung in Sachsen-Anhalt nachhaltig zu stärken.
Gemeinsam mit anderen innovativen Projekten der interkulturellen Öffnung im Unternehmenskontext sowie im Bereich der Internationalisierung von Bildung und Arbeitswelt, gehört das Projekt bei der AGSA zur Fachstelle „Vielfalt im Arbeitsleben“.
Links
https://www.agsa.de/fachstelle-berufsbildung-ohne-grenzen.html
https://www.berufsbildung-ohne-grenzen.de/
Redaktion Deine-Welt-Blog
Gabriel Rücker
Projektassistenz
Telefon: +49 (0)391/ 5371-206
E-Mail:gabriel.ruecker@agsa.de
Kontakt
Izabela Peter
Mobilitätsberaterin in Sachsen – Anhalt Nord
E-Mail: izabela.peter@agsa.de
Thomas Böttcher
Mobilitätsberater in Sachsen – Anhalt Süd
E-Mail: thomas.boettcher@agsa.de