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Über den langen Weg zu mehr Gleichberechtigung und Gleichbehandlung. Eine kritische Kolumne zum Internationalen Frauentag

Anlässlich des Internationalen Frauentags haben wir uns mit dem weiblichen Teil des Netzwerks getroffen, um gemeinsam zu feiern, aber auch um über die Situation von EU-Migrantinnen in Deutschland zu diskutieren.

 

Als Unionsbürgerinnen sind viele von uns in ihren Heimatländern ausgebildet worden, leider haben wir auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland immer noch viele Schwierigkeiten. Das Fehlen von Beratung (auch professioneller Beratung) in unseren Herkunftssprachen, aber auch in Englisch, sowie die Schwierigkeit, Zugang zu Deutschkursen zu bekommen, führt dazu, dass sich Unionsburgerinnen oft ausgeschlossen fühlen. Für Unionsbürger, die beruflich tätig sind, sind Wochenend- oder Online-Kurse nicht (oder nur unzureichend) verfügbar. Viele Unionsbürgerinnen, die Arbeitslosengeld I beziehen, beklagen sich darüber, dass die Agentur für Arbeit ihnen die Finanzierung von Sprachkursen verweigert, sie nicht berät und sie nicht bei der Anerkennung eines im Herkunftsland erworbenen Berufs oder bei der Erlangung neuer beruflicher Qualifikationen unterstützt.

 

Unionsbürgerinnen werden nicht auf Angebote verwiesen, die ihrer Ausbildung und ihren Begabungen und Interessen entsprechen, sondern oft wird ihnen eine Ausbildung in Berufen angeboten, die für sie eine komplette Umschulung bedeuten, z.B. zur Altenpflegerin, obwohl für diese Berufe bestimmte Qualifikationen erforderlich sind. Es gibt viele Migrantinnen, die sich bessere Möglichkeiten wünschen, Deutsch zu lernen und eine Berufsberatung in Anspruch zu nehmen. Stattdessen sind sie oft dazu gezwungen, unter ihren Qualifikationen und in prekären Arbeitsverhältnissen zu arbeiten. Die mangelnde Zufriedenheit mit der Arbeitssituation und die fehlenden Aufstiegsmöglichkeiten spiegeln sich auch im Privatleben und in der Bewertung der Migration insgesamt wider und beeinflussen die Einschätzung der Attraktivität des deutschen Arbeitsmarktes.

 

In vielen Fällen führt das in unseren Ländern erworbene Qualifikationsniveau nicht dazu, dass Frauen in Deutschland Tätigkeiten ausüben, die mit ihrer Ausbildung vereinbar sind. Grund dafür sind Unkenntnis oder unzureichende Kenntnisse der deutschen Sprache und fehlende Angebote zum Sprachenlernen nach der Arbeitszeit, aber auch die Abwertung der erworbenen Qualifikationen (de-skilling).  Viele Frauen arbeiten daher immer noch oftmals unter den Qualifikationen, die sie in ihren Herkunftsländern erworben haben.

 

Frauen, die aus EU-Ländern nach Deutschland zugewandert sind, dominieren nach wie vor ganz zentrale Arbeitsmarktsektoren: Reinigung, Altenpflege, Gastronomie, Touristik. Frauen beschweren sich über schlechte Arbeitsbedingungen, viele Überstunden, die nirgendwo gemeldet werden können, Bezahlung, die nicht der geleisteten Arbeitszeit entspricht. Besonders schlechte Arbeitsbedingungen gelten für Altenpfleger, die oft 24 Stunden am Tag einsatzbereit sein müssen, ihnen aber auch keine Möglichkeit bieten, sich in Deutschland anzumelden oder lokale Beiträge zur Kranken- oder Rentenversicherung zu zahlen.

 

Darüber hinaus werden die Fähigkeiten von Frauen zwar genutzt, aber nicht geschätzt oder entlohnt. Falls sie doch in den Statistiken auftauchen, werden sie dort oft nicht als Fachkräfte aufgeführt. Zusätzlich können ihre Fähigkeiten in der Praxis abgewertet werden. So sind beispielsweise Krankenpflege und Hebammenwesen in Deutschland nicht als akademische Berufe anerkannt, wie dies in vielen anderen Ländern der Fall ist. Dies führt zu einer Abwertung des Qualifikationsniveaus von Unionsbürgerinnen, die in ihren Herkunftsländern in diesen Berufen an der Universität ausgebildet wurden und erfahrene Krankenschwestern mit akademischen Abschlüssen sind.

 

Als wichtigster Faktor wird von den Unionsbürgerinnen der erschwerte Zugang zum Arbeitsmarkt durch den Verlust von engen Beziehungen zu Familie und Verwandten genannt. Migrantinnen verlieren oft die Unterstützung ihrer Familie, insbesondere bei der Kinderbetreuung (während sie arbeiten oder neue Qualifikationen erwerben), die ihnen den Eintritt in den Arbeitsmarkt ermöglicht. Wir wünschen uns eine Ausweitung des Integrationsangebots auf die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes, einschließlich Berufsberatung in den Herkunftssprachen, Deutschkurse, aber auch klare und schnellere Verfahren zur Anerkennung von in den Herkunftsländern erworbenen Qualifikationen.

Vielen Dank an Monika Gorka für diese Kolumne. Monika Gorka ist Mitarbeiterin im Projekt Fach- und Servicestelle EU-Migration Sachsen-Anhalt (EUmigra), Bereich Netzwerkarbeit und Projektmanagement.