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IDAHOBITA* 2023 – In Deutschland relevant?

Gabriel Rücker ist Werksstudent, arbeitet als Projektassistenz bei der Auslandsgesellschaft. They ist selbst queer und nicht-binär. Anlässlich des diesjährigen IDAHOBITA* setzt er sich in dieser Kolumne mit dem Thema auseinander und schreibt, warum queere Themen auch in der Auslandsgesellschaft relevant sind.

 

 

 

 

 

 

Seit 2005 gibt es den globalen Aktionstag IDAHOBITA* („International Day against Homo-, Bi-, Inter- and Transphobia“). Jedes Jahr am 17. Mai organisieren in über 130 Ländern Menschen aus der queeren Community sowie ihre Verbündeten Veranstaltungen, Demonstrationen, Kampagnen und politische Vorstöße. Auch die gesamtgesellschaftliche Aufklärung zu Diskriminierung und Gewalt gegen LSBTIQ+ Menschen ist ein zentrales Anliegen des IDAHOBITA*. Der 17. Mai wurde als Tag gewählt, um an die Entscheidung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Jahr 1990 zu erinnern, Homosexualität nicht mehr als psychische Krankheit zu klassifizieren. Zugleich ergeben sich in der Schreibweise zufällige Parallelen zwischen dem Datum 17.5. und dem früheren Paragrafen 175 des deutschen Strafgesetzbuches, wonach sexuelle Handlungen zwischen Personen männlichen Geschlechts unter Strafe standen.

 

Mehr als zwei Jahrzehnte hielt die Bundesrepublik an den Fassungen der Paragrafen 175 und 175a aus der Zeit des Nationalsozialismus fest. 1969 kam es zu einer ersten, 1973 zu einer zweiten Reform. Seitdem waren sexuelle Handlungen mit männlichen Jugendlichen unter 18 Jahren strafbar, während ansonsten die Schutzaltersgrenze bei 14 Jahren lag. Erst nach der Wiedervereinigung – im Jahr 1994 – wurde der Paragraf 175 auch für das Gebiet der alten Bundesrepublik ersatzlos aufgehoben.

 

Der Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transfeindlichkeit findet rund um den Globus statt, um für Menschenrechte, Akzeptanz und Vielfalt einzustehen. Zahlreiche Vereine und Verbände der queeren Community bieten dazu ein vielfältiges Programm an.

 

Warum ist der Tag auch hier in Deutschland noch so wichtig?

 

Seit Jahren steigen die Übergriffe auf queere Menschen rapide an und auch die politischen Angriffe von konservativen oder rechtspopulistischen Parteien nehmen zu. Dies ist nicht nur für hier geborene Menschen problematisch, schlimmer wird dies noch für Menschen, die nach Deutschland flüchten. Grade Menschen, die aus Ländern fliehen in der ein rechtlicher Schutz für queere Menschen nicht vorhanden ist, geschweige denn Toleranz oder gar Akzeptanz. In den USA wurden in den letzten Jahren über 450 queerfeindliche Gesetzte beschlossen, es wird hier sogar teilweise schon von einem Genozid gegen Trans*Menschen gesprochen.  In über 60 weiteren Ländern steht Homosexualität unter Strafe, teilweise unter Androhung der Todesstrafe.

 

Immer wieder werden in Deutschland Fälle bekannt in denen queere Geflüchtete in Verfolger Staaten abgeschoben werden sollen, weil diese ihre queere Identität aus Angst verschweigen oder ihnen ihre queere Identität nicht zugestanden wird. Der Prozess ist teilweise demütigend und von Vorurteilen geprägt. Auch in den Flüchtlingsunterkünften sind queere Geflüchtete einer erhöhten Gefahr ausgesetzt, da Queerfeindlichkeit auch in den Unterkünften weit verbreitet ist. Der schockierende öffentliche Selbstmord von Ella im September 2021 zeigte dies sehr deutlich. Ella war eine Transfrau die als Geflüchtete nach Deutschland kam, jahrelang lebte sie in Magdeburg und verbrannte sich öffentlich in Berlin. Viele aus der Magdeburger queeren Community kannten sie persönlich, es traf sie unvermittelt und überraschend. Dieser Fall darf sich nie wiederholen.

 

Die Auslandsgesellschaft ist, um eine niedrigschwellige Anlaufstelle zu unterstützen, eine Kooperation mit dem CSD Magdeburg eingegangen. Hier haben queere Menschen die Möglichkeit über Whatsapp und Telegram einfach und schnell erste Hilfe zu erhalten.

 

Aber auch in der Interkulturellen Arbeit muss das Thema LGBTIQ+ mehr berücksichtigt werden. Hierfür gibt es unter anderem zwei wichtige Gründe. Erstens müssen die eigenen Strukturen für queere Themen sensibilisiert werden um die Beratung und den Schutz von queeren Migrant*innen und Geflüchteten besser zu gestalten. Zweitens muss Aufklärungsarbeit bei Migrant*innen und Geflüchteten, grade aus Ländern in denen Queerfeindlichkeit an der Tagesordnung ist, bei der Integration stattfinden. Es müssen Saferspaces geschaffen werden und dies geht nur wenn alle Gesellschaftsteile und zivilgesellschaftlichen Akteure für diskriminierungsfreie Räume einsetzen und sich gegen jede Art von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit stellen.

 

Im letzten Jahr hat die Auslandsgesellschaft mit der Ausstellung WE ARE PART OF CULTURE gezeigt, dass queere Menschen schon immer Teil unserer Geschichte und unserer Gesellschaft sind. Erstmalig hat sie damit auch dem queeren Leben in der interkulturellen Arbeit Rechnung getragen. Das Thema wird auch weiterhin in der Arbeit der Auslandsgesellschaft berücksichtigt.

 

 

In Deutschland, in Europa und weltweit müssen queere Rechte verteidigt und erkämpft werden, queeren Menschen brauchen unser aller Schutz. Schutz vor Verfolgung, Schutz vor Diskriminierung und Schutz vor Gewalt.