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Sprachcafé - Mach einen Schritt nach vorne

Im Rahmen der „Antirassismuswochen“ werden vom 20. März bis 2. April 2023 in Magdeburg viele Workshops, Kurse und Veranstaltungen organisiert. Demnach haben die europäischen Freiwilligen, die im einewelt haus arbeiten, beschlossen, ein besonderes Sprachcafé vorzubereiten. Normalerweise ist das Sprachcafé ein Fremdsprachentreff, in dem man viele neue Fremdsprachen mithilfe der europäischen Freiwilligen lernen und üben kann. Dieses Mal ist aber das Treffen sehr speziell, weil am Anfang die Übung “Mach einen Schritt nach vorne” angeboten wird. Ziel ist es, gemeinsam mit den Teilnehmenden über das schwierige Thema der heutigen Diskriminierungen nachzudenken und das Bewusstsein über die Ungleichheit der Möglichkeiten zu erhöhen.

 

Das Sprachcafé hat am 22. März stattgefunden und es hat mit einer kleinen Vorstellung der Freiwilligen und der Teilnehmer:innen angefangen. Danach wurden die Regeln der Übung „Mach einen Schritt nach vorne“ erklärt. Jeder hat daher eine Rolle bekommen, einige davon sind zum Beispiel: “Du bist Besitzer:in eines erfolgreichen Import-Export Unternehmens”, “Du bist ein muslimisches Mädchen arabischer Herkunft. Du wohnst mit deinen streng religiösen Eltern zusammen”, “Du bist ein behinderter junger Mann, der sich nur mit Hilfe eines Rollstuhls bewegen kann” usw.  Nachdem die Teilnehmer:innen ein paar Minuten gehabt haben, um in die Rolle zu kommen, wurde eine Liste von Situationen und Ereignissen vorgelesen. Einige Beispiele sind: “Ich kann einmal im Jahr in den Urlaub fahren”, “Ich habe das Gefühl, dass meine Sprache, Religion und Kultur in meinem sozialen Umfeld respektiert werden”, “Ich habe das Gefühl, dass meine Kompetenz wertgeschätzt und respektiert wird” usw. Wenn die Aussage auf ihre Person zutraf und die Teilnehmer:innen auf die Aussage "ja" antworten konnten, sollten sie einen Schritt nach vorne machen. Andernfalls sollten sie bleiben, wo sie waren, und sich nicht bewegen.

 

Sobald die Regeln klar waren, ist das Spiel gestartet. Die ersten Situationen wurden gelesen und die ersten Schritte wurden gemacht. Schon nach ein paar Minuten wurden die ersten Unterschiede zwischen den Teilnehmenden deutlich und die Leute, die sehr viele Schritte vorwärts machten, haben angefangen, diejenigen, die sich überhaupt nicht bewegten, zu beobachten. Sie fragten: “Warum kann ich mich bewegen und die anderen nicht? Warum bin ich im Vorteil?”.

Am Ende war die Situation sehr seltsam, weil es Leute gab, die fast alle die Schritte nach vorne gemacht hatten und Leute, die sich überhaupt nicht bewegt hatten. Deswegen haben wir uns Zeit genommen, um zusammen über die heutigen Ungleichheiten zwischen Menschen, die das Spiel widerspiegelt, nachzudenken. Die Teilnehmenden haben ihre Rollen erklärt und betont, dass das Spiel sehr hilfreich war, um sich in die Lage der anderen Personen zu versetzen. Insbesondere haben die Leute, die wenige Schritte vorwärts gemacht haben, bemerkt, dass es heutzutage noch viele Diskriminierungen und Vorurteile gibt, die zu einer ungerechten Gesellschaft führen und oft können wir diese diskriminierenden Situationen nicht verstehen, weil wir diese nicht persönlich erleben. Schließlich haben die Teilnehmenden vereinbart, dass es leider noch Menschen gibt, die mehr Privilegien und manchmal auch mehr Rechte als andere haben, weswegen sie auf diese Weise im Vorteil in vielen verschiedenen Aspekten des Lebens sind.

 

Abschließend wurden den Teilnehmenden einige Fragen gestellt. Das sind die Fragen und die Antworten den Teilnehmer*innen:

 

  1. Wie hast du dich gefühlt, als du nach vorne gingst? Und als du nicht nach vorne gingst?

Ich war Chef einer Firma und in der Position in der ich war habe ich mich gut gefühlt, weil ich gemerkt habe, ich kann mir Vieles leisten; es sind viele Dinge einfacher für mich. Aber nach hinten blickend war die Situation für mich persönlich nicht so gut, weil ich viele Leute sah, die sich nicht mit mir bewegten.

-Bianka

  1. Gab es Momente, in denen du das Gefühl gehabt hast, dass du weniger Rechte als andere Personen hattest?

Ich war ein behinderter junger Mann, der sich nur mit Hilfe eines Rollstuhls bewegen kann und ja, es gab einen Moment, wo ich dachte, dass ich weniger Rechte habe. Mir ist bewusst geworden bei der Frage zum Arbeitsplatz, das heißt “Ich brauche mir keine Sorgen um einen guten Arbeitsplatz machen”. Ich fand diese Frage am beeindruckendsten, weil ich glaube, dass ein Arbeitgeber mir sagen würde: "Nein, das ist vielleicht anstrengend und eingeschränkt wegen Mobilität und man braucht auch barrierefreie Zugänge usw". Hier habe ich bemerkt, dass ich nicht die gleichen Möglichkeiten wie jeder andere habe.

-Steffi

  1. Was hast du mithilfe dieses Spiels gelernt?

Ich finde dieses Spiel ein supergutes Format, damit man sich in eine andere Person, die in einem komplett anderen Rahmen lebt, versetzen kann. Ich war ein arabisches Mädchen mit einem streng muslimischen Haushalt, in dem ich mit meinen Eltern zusammenlebte. Ich habe versucht, mir vorzustellen, wie fremdbestimmt mein Leben ist und wie viel Angst ich wahrscheinlich habe, wenn ich auf die Straße gehe und vielleicht auch wie viel Angst vor Diskriminierung ich wegen meines Kopftuchs haben muss, da ich Leute damit provoziere, obwohl es nicht meine Persönlichkeit ist. Da gibt es viel Potenzial, warum ich Angst auf der Straße haben muss.

-Ulrike

  1. Spiegelt die Übung unsere Gesellschaft wider? Wie?

Ich finde, dass die Übung die Gesellschaft sehr gut widerspiegelt. Vor allem werden die Unterschiede zwischen verschiedenen Personengruppen aufgezeigt. Die Unterschiede, die ja leider tatsächlich überall in unserem Alltag zu finden sind und ein Teil von unserer Gesellschaft sind, wurden uns hier besonders aufgezeigt. Sei es die alleinerziehende Mutter, die sich um die Zukunft ihres Kindes sorgen muss, die HIV-Positive Person, die ständig Abweisung erleben muss oder die nach Deutschland geflohene Person, überall kann man Diskriminierung finden. Obwohl sich schon viel verändert hat, spiegelt sich bei der Übung wider, dass das noch nicht ausreicht und noch einiges innerhalb unserer Gesellschaft verändern muss.

 

-Kristin