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30 Jahre Rostock-Lichtenhagen, 30 Jahre Deutsch-Vietnamesischer Freundschaftsverein

Ende August vor 30 Jahren kam es über mehrere Tage zu pogromartigen rassistisch motivierten gewaltvollen Ausschreitungen gegen das sogenannte Sonnenblumenhaus in Rostock-Lichtenhagen, in dem die Zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber (ZAst) und ein Wohnheim für ehemalige vietnamesische Vertragsarbeitnehmer untergebracht waren. Ein Mob von Anwohnern, Neonazis und Schaulustigen brachte die Bewohner z.B. durch Brandsätze und Molotowcocktails in Lebensgefahr, die der Situation schutzlos ausgeliefert waren. Die Polizei bekam die Lage tagelang nicht unter Kontrolle. 

 

Dies sollten leider nicht die einzigen rassistischen Übergriffe bleiben, Hoyerswerda, Mölln, Solingen und später auch die Magdeburger Himmelfahrtskrawalle von 1994 reihen sich in die Liste ein. Menschen wurden nicht beschützt, die Polizei steht teils hilflos daneben. Die politische Reaktion in einem Akt der Täter-Opfer-Umkehr besteht dann schließlich in der Abschaffung des alten Asylparagrafen 16 des Grundgesetzes.

 

Dieser Tage wird vielerorts an die Pogrome von Rostock-Lichtenhagen erinnert, heute besuchte der Bundespräsident Rostock-Lichtenhagen. Auch wir erinnern uns, z.B. daran, dass die älteste Migrantenselbstorganisation Sachsen-Anhalts, unser Mitglied Deutsch-Vietnamesischer Freundschaftsverein (DVF), sich ebenfalls vor 30 Jahren gründete. Die Ereignisse um das Sonnenblumenhaus waren zu einschneidend, zu wenig Reflexion und angemessene Reaktion folgte in  den #baseballschlägerjahren der 90er Jahre - nicht nur bei politischen Entscheidungsträgern, sondern auch in der sogenannten Mitte der Gesellschaft. 

 

2012 sprach Vu Thi Hoang Ha vom DVF anlässlich des 20. Jahrestages der Ereignisse von Rostock-Lichtenhagen auf einer Veranstaltung im einewelt haus über die damalige Zeit, was wir damals so zusammenfassten:

 

Vu Thi Hoang Ha kam 1978 zum Studium in die DDR, kurz vor der Wende dann als Dolmetscherin für vietnamesische Vertragsarbeiterinnen in Burg. Nach der Wende beriet sie Vietnamesen, die von der deutschen Mehrheitsgesellschaft immer feindseliger betrachtet wurden, mit verbalen und körperlichen Übergriffen konfrontiert waren und zudem um ihr Aufenthaltsrecht bangen mussten. Die Ereignisse von Rostock-Lichtenhagen gaben den Anlass, den Deutsch-Vietnamesischen Freundschaftsverein zu gründen, um Selbstschutz zu organisieren. In dem Wissen, dass der Staat und die Politik nichts tun, nicht helfen würden, organisierte sich der Verein – auch, um auf etwaige Ausschreitungen, die ja dann mit den Himmelfahrtskrawallen '94 folgen sollten, vorbereitet zu sein. Es wurden Bettlaken zusammengebunden, um sich notfalls abseilen zu können, da man sich auf durch Molotow-Cocktails hervorgerufene Brände vorbereiten musste - ein Leben in ständiger Angst. (Quelle)

 

Nie wieder #baseballschlägerjahre, für eine #starkezivilgesellschaft in #vielfalt!

 

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Foto: Veranstaltung von AGSA, Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt e.V., Deutsch-Vietnamesischer Freundschaftsverein e.V. und Miteinander e.V. anlässlich des 20. Jahrestages der Anschläge von Rostock-Lichtenhagen im ewh im August 2012