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Chronik

Die Geschichte eines Gebäudes ist die Geschichte ihrer Bewohner:innen. Der erste Spatenstich ist mittlerweile 114 Jahre her. Das Gebäude im Stil der Gründerzeit hat hauptsächlich als Krankenhaus gedient. Fragen wir heute Magdeburger:innen, erinnern sich viele an die orthopädische Klinik. Aber auch eine dunkle Etappe hat das Haus durchlebt und war Herberge für einen Menschen, der mit dem heutigen einewelt haus sicher nichts anzufangen wüsste. 


1907 -  Bau und Nutzung als Wohnhaus

Die rechte Seite des Doppelhauses wurde zuerst errichtet. Zwei Jahre später folgte die linke. Die Gebäudehälften waren durch eine Mauer voneinander getrennt. Erbauer ist Architekt und Maurermeister Max Rausch. Die Adresse: die damalige Schwerinstraße 3 und 4. Im Stil der Gründerzeit war das Anwesen für bürgerliche Familien erdacht. Das gesamte Viertel um die heutige Harnack- und Schellingstraße wurde in den Jahren 1900 bis 1910 neu errichtet. Wer sich hier umschaut, bekommt nur eine Ahnung, in welcher Pracht und mit welchem Prunk die Architekt:innen der Gründerzeit bauten. Heute sind viele Gebäude - wie auch das einewelt haus - nicht mehr original verziert. 


1914 - Frauenklinik und Wohnhaus

Bereits 1914 zu Beginn des 1. Weltkriegs entscheidet sich Hausbesitzer Dr. Kamann in der rechten Hälfte des Gebäudes eine Frauenklinik zu errichten. Die linke Hälfte beinhaltet weiterhin ein Wohnhaus. In der Villa lebt unter anderem 1922 der ehemalige preußische Landrat Hans Wilhelm Becker. 


1938 - Chirurgie

1938 übernimmt Professor Dr. W. Wendel die Frauenklinik von Dr. Kamann und eröffnet eine chirurgische Privatklinik. Während des Kriegs werden Teile des Gebäudes zerstört bis die Klinik geschlossen wird. 


1946 - Nach dem Krieg

1946 eröffnet die Chirurgie erneut. Jetzt in Hand von Wendels Frau Katharina Wendel. In den Akten zu dem Gebäude findet sich eine Überraschung: Weil das Haus 1946 noch einen Bomben-schaden besitzt, bittet ein gewisser Dr. Kurt Heißmeyer bei der Stadtverwaltung um Reparatur. Er ist Lungenarzt, Experte für Tuberkuloseerkran-kungen (TBC) und arbeitet für eine Zeit in der Schellingstraße. 1963 wird er festgenommen. Die Anklage: Verbrechen gegen die Menschlichkeit. 

 

Der Zufall und ein Artikel des Magazins Stern 1959 führen zu der Veröffentlichung der Taten Heißmeyers während des 2. Weltkriegs 1944/45 im Konzentrationslager Neuengamme. Mit großer Verspätung 20 Jahre später wird er verhaftet. Nach dem Krieg hatte es Heißmeyer zurück in seine Heimatstadt Magdeburg gezogen. Da er sich sicher fühlte, unterhielt er bis zu seiner Festnahme unter richtigem Namen eine Tuberkulose-Privatpraxis in der Gellertstraße. Heißmeyer erhält eine lebenslange Freiheitsstrafe und stirbt 1967 in der Zuchtanstalt Bautzen. 


1949 - Hilfs- und Stammkrankenhaus

1949: Der Rat der Stadt erhält von der sowjetischen Stadtkommandatur die Verwaltungshoheit zurück. Die neue Verwaltung benennt die Straße um in Schellingstraße. Die Chirurgie schließt. Dr. Kamann verkauft die Schellingstraße 3-4 an den Rat. Der verlegt das Tuberkulosekrankenhaus Falkenbergstraße in die Schellingstraße und eröffnet erst ein Hilfs- dann ein Stammkrankenhaus. Außerdem ist dort das von der Landesregierung geforderte Nachtkrankenhaus untergebracht. Vor dem Haus wird ein Garten für die Erkrankten errichtet. Der Name der Klinik: "Klosterberge-Krankenhaus". 


1962 - Umbau zu Orthopädischer Klinik

Bereits 1953 wird die Medizinische Akademie Magdeburg gegründet. Aus ihr wird 1993 nach Zusammenschluß mit der Technischen Universität und der Pädagogischen Hochschule die Otto-von-Guericke-Universität. Zwischen 1962 und 1966 wird das Gebäude in der Hand der Medizinischen Akademie für eine orthopädische Klinik um- und ausgebaut. Zum Beispiel kommt 1964 ein Betten-Aufzug für 1.200 kg hinzu. Am Ende ist Platz für 3 Stationen, eine Poliklinik, Röntgen, Labor und Physiotherapie. Die Eröffnung findet am 12. Februar 1966 statt. Der Fokus der Orthopädie liegt auf der Kinderorthopädie, der Behandlung der Luxationshüfte, der Einführung der Wirbelsäulenchirurgie und Gelenkendoprothetik. 


1987 - Schließung der orthopädischen Klinik

1987 erfolgt der Umzug in den Klinikneubau auf dem Campus des Universitätsklinikums und die Orthopädie in der Schellingstraße schließt.