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Den Saal im Blick

Vor fünf Jahren feierte des einewelt haus das letzte Mal Jubiläum. Damals folgte das Jahr 2017. Die politischen Ereignisse dieses Jahres beeinflussen uns bis heute. Wer durch die alten Raumbuchungen des Infobüros stöbert, ist erstaunt. Viele Themen haben kein Stück an Relevanz für 2022 verloren. Eine Betrachtung von über 300 Veranstaltungen im Saal. 


Herbst 2016: Der Saal und das Erdgeschoss im einewelt haus (ewh) feiern gemeinsam mit dem Weltladen geschwisterlich Geburtstag. Der Weltladen wird 25, das ewh und auch der Europäische Freiwilligendienst in Sachsen-Anhalt werden 20. Es ist ein Jahr, in dem der Schwerpunkt der Verantwortung des Hauses gegenüber den Menschen liegt, die kriegsbedingt aus dem Nahen Osten nach Sachsen-Anhalt kamen.  

 

Von November bis Dezember hängt im Saal daher die Ausstellung „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ von Thomas Peschel-Findelsen und Peter Schaller. 65 Millionen Menschen sind auf der Flucht. Die Bilder zeigen Geflüchtete, ihren Stolz, ihre Ängste. Am ersten Dezember erklärt Referentin Claire Deery vor den Bildern das Asylbewerberleistungsgesetz bevor die Ausstellung durch Robert Kleins Vernissage Mind Movies Art abgelöst wird. Das Jahr endet mit einer Weihnachtsfeier für Kinder von Geflüchteten aus den Gemeinschaftsunterkünften (das ewh wurde erstmals seit Jahren zu klein, daher zogen die AGSA-Vereine mit weiteren Partnern ins HOT-Alte Bude) und organisierten für 150 Kinder und Jugendliche eine bunte Feier mit Basteln, Breakdance, Clownerie und Gesang. Das Jahr endete mit einer Silvesterfete mit DJ Amidou Traore.  

 

2017 passiert vieles, was bis heute nachwirkt. Donald Trump wird zum Präsidenten vereidigt, der Brexit läuft an, es ist Bundestagswahl. Der Saal startet in ein besonders politisches Veranstaltungsjahr. Die Happy New Year Party der International Community läutet es ein. Auch andere laden zum Tanz: Die Bulgarische Rose und der deutsch-vietnamesische Freundschaftsverein. Die Bundesfreiwilligendienst-Leistenden treffen sich. Dann ein Vortrag über die Geschichte der Basilika von der deutsch-italienischen Gesellschaft. Die Deutsch-Japanische Gesellschaft Sachsen-Anhalt wirft einen Blick auf Okinawa: Die japanische Region leidet seit der Unabhängigkeit 1972 unter der starken Präsenz US-amerikanischer Streitkräfte.  

 

Zum Weltfrauentag wird Gleichstellung im einewelt haus intersektional gedacht. Katharina Oguntoye liest „Farbe bekennen. Afro-deutsche Frau auf den Spuren ihrer Geschichte.“ Die Afghanische Frauen-Initiative um Soniya Frotan und Referentin Sadia Warrich gestaltet ein Empowerment-Training.  

 

In den Internationalen Wochen gegen Rassismus fragt der Flüchtlingsrat die Afghanistan-Expertin Friederike Stahlmann: „Afghanistan – sichere Gebiete?“. „Nein“, lautet Ihre Antwort damals und hat sich seitdem nicht verändert: "Zeugin von so viel Angst und Ohnmacht zu sein, macht die eigenen Privilegien schmerzhaft bewusst" (04.06.2021, Interview mit der Diakonie). Meridian gibt einen Einblick in die Situation von Jüdinnen und Juden in der ehemaligen Sowjetunion, es läuft der Film „Human“. Schulsozialarbeiter:innen üben sich in Sensibilität für Alltagskonflikte, Mobbing und Rassismus in einem Workshop des IKOE-Projekts mit Franziska Bergmann.  

 

Die Osterparty der International Community, das afghanische Neujahrsfest, der Kennenlernabend der deutsch-italienischen Gesellschaft, der Reggae Unity Jam des Magletan: Frühling weckt die Lebensgeister. 

 

In der Europawoche ist bei der deutsch-polnischen Gesellschaft die Feministin Sławomira Walczewska zu Gast. Sie analysiert haarscharf den polnischen Aufstand der „schwarzen Regenschirme“ gegen die Verschärfung des restriktiven Abtreibungsrechts. Magletan lädt den Militarisierungsexperten Jürgen Wagner ein. Der warnt vor den Aufrüstungsplänen der EU. Heute wirbt die EU-Grenzpolizei Frontex auf Facebook um Mitarbeiter:innen und die Idee einer EU-Armee nimmt Gestalt an. Es wird aber auch gefeiert: der Tag der Auslandspol:innen, das Regenbogencafé für Geflüchtete und Queers, die Volkstanzgruppe Bulgarische Rose und die Magie der bulgarischen Trachten mit der deutsch-bulgarischen sozio-kulturellen Vereinigung.  

 

Es ist Weltflüchtlingstag. Helferin Janne blickt zurück auf ihre Zeit auf Lesbos in Griechenland 2015/2016. Seitdem und bis heute hat sich die Situation an den Außengrenzen deutlich verschärft. Aktive Magdeburger:innen diskutieren über Spracherwerb und Qualifizierung. Auch Kommunalpolitiker:innen aus Niedersachsen kommen zu Besuch und es werden Erfahrungen ausgetauscht. Der Sommer ist da, aber der Saal bleibt viel genutzt. Am 24. Juni feiert die International Community das Ende des Ramadans 2017.  

 

Neben einem Ort für Politik macht der Saal vor allem Raum frei für kleinere und regelmäßige Treffen. Zum Beispiel für Sport – Buddhistische Gymnastik, Tanzgruppen, Aerobic, Yoga. Für Familien – Geburtstagspartys, sogar eine Taufe oder eine Hochzeit. Für Teamsitzungen und Mitgliederversammlungen. Für Bandproben von den Sharks. Für das Sprachcafé der AGSA. Für Nachhilfeunterricht. Für Infotage, wie die Laufbahnberatung des IQ-Netzwerks. 

 

Die interkulturellen Wochen und die Bundestagswahl fallen zusammen. Ein wichtiges Thema jagt das nächste. Der Förderverein der Deutschen aus Russland hält Politiker:innen-Sprechstunde ab. Es ist Fachtag der interkulturellen Orientierung und Öffnung. “Quo vadis Polen” fragt sich die Deutsch-Polnische Gesellschaft Sachsen-Anhalt in der Interkulturellen Woche 2017. Die Ausstellung „Farben sagen mehr als Worte“ (September bis November 17’) von Marco Almahasen und Manuela Moritz setzt auf die Kunst und gemeinsames kreatives Schaffen, um Grenzen zu überwinden. Meridian e.V. taucht in Prosa Puschkins ein, Harmonia bietet Kurse zur Sprachentwicklung und Frühförderung an.  

 

Die Gruppe Latinos en Magdeburg lädt im Saal zu ihrem ersten öffentlichen Treffen. Schwere und leichte Themen drücken sich im Saal die Klinke in die Hand. Die deutsch-israelische Gesellschaft Magdeburg und die Friedrich-Ebert-Stiftung sprechen über den Nahost-Konflikt. Das psychosoziale Zentrum für Migrant:innen beleuchtet den pädagogischen Umgang mit minderjährigen unbegleiteten Geflüchteten. Die DJO de-konstruiert mit dem „Wörterbuch der besorgten Bürger“ neu aufgekommene Wortschöpfungen wie Deutschland GmbH, Schuldkult, Merkeldiktatur.  

 

Auch Nachhaltigkeit ist oft ein Thema. Bei Greenpeace, dem Weltladen, dem Netzwerk Zukunft, z.B. im Rahmen der Nachhaltigkeitstage. [Kino open air]