Joshua Suwelack im Gespräch mit Bianka Mopita
Bianka Mopita hat viele Jahre für den Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt gearbeitet. Vorher war sie bei Kontakt International. AGSA Mitarbeiterin Manja Lorenz sagt über sie: Bianka war mir eine wichtige Mentorin. Vor einiger Zeit hat Bianka das Haus verlassen. Jetzt kommt sie nach Magdeburg zurück. Ein Rückblick einer Frau, die bereits vor dem einewelt haus interkulturelle Solidarität gelebt hat.
Von Joshua Suwelack
Bianka, auch du kennst das einewelt haus noch in Kinderschuhen. Wieso?
Der Verein „Kontakt International“ hat sich nach der Wende in den 90er Jahren aus ehemaligen Studenten gegründet, es war von einem Tag auf den anderen nichts mehr wie vorher und niemand wusste wie es weitergeht. Vom Hasselbachplatz aus ist der Verein im Sommer 1998 ins einewelt haus eingezogen. Wir haben damals schon alle Festivitäten und im einewelt haus mit gestaltet. Die Frauentagsfeiern waren neben Weihnachten auch für die Kinder auch aus den Gu ́s für Flüchtlinge und dem Jahresabschluss zu Silvester immer gut besucht. Aber auch viele Seminare und Veranstaltungen zu aktuellen Themen haben das EWH bekannt gemacht.
Du hast 8 Jahre im Kongo gelebt und dadurch ein anderes Gefühl bekommen für die eine Welt in der wir leben. Wie hat das deinen Weg ins einewelt haus noch begleitet?
Ja, das Weltgefühl war da. Dass es dann zu Kontakt International ging, war ein großer Zufall. Ich brauchte die beglaubigte Übersetzung einer Urkunde, für eine Behörde. Der französisch-sprachige Übersetzer hatte kurzfristig eine Stelle als Lehrer in Prag bekommen und so bekam ich meine Chance, ich habe gesagt: Französisch ist meine zweite Mutter-sprache, eine Woche später hab ich bei Kontakt angefangen zu arbeiten.
Bitte erzähle von deiner Zeit als Aktive im einewelt haus.
Kontakt war eine Anlaufstelle für viele ausländische Mitbürger in und um Magdeburg, wir haben fast alle gängigen Sprachen durch unsere Mitarbeiter abdecken können. Wir waren auch in Schulen und haben inter-kulturelle Arbeit gemacht. Den Auftakt und Höhepunkt der interkulturellen Arbeit bildete immer im Januar die „Meile der Demokratie“ in der Innenstadt. Das Begegnungs-fest der Polizei in Erinnerung an die „Himmelsfahrtskrawalle 1994“ in Magdeburg war für viele Jahre ein gelungener Treffpunkt für alle Bürger dieser Stadt. Es gab auch weitere traurige Momente, als in Dessau im Jahr 2000 der Angolaner Alberto Adriano ermordet wurde, war das einewelt haus jedes Jahr Mitinitiator bei den Gedenkveranstaltungen, nur 5 Jahre später verbrannte Oury Jalloh in einer Gefängniszelle in Dessau. Damals arbeitete ich schon beim Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt und habe die verschiedenen Prozesstage in Dessau und Magdeburg begleitet.
In jedem Jahr finden noch die Gedenkfeiern durch die Verbände des Landes statt und werden durch die AGSA und viele Vereine unterstützt. Es war immer ein schönes Zusammenarbeiten. Das einewelt haus war und ist für alle offen. Irgendwie auch eine eingeschworene Gemeinschaft, auch zusammen mit vielen Ehrenamtlichen auch in den Landkreisen. Wir haben da schon viel, viel gemacht. Ich hoffe, dass das irgendwann wiederkommt, z.B. die Hof-Feste, oder die Treffen auf dem Hegel Spielplatz sind für viele in guter Erinnerung und ein Anziehungspunkt für ganz Magdeburg. Da ist schon ganz schön etwas gewachsen.
Ab 2006 warst du dann 10 Jahre im Flüchtlingsrat Sachsen-Anhalt mit Sitz im ewh. Was waren der Flüchtlingsrat für eine Arbeit?
Ja, ich habe über die Jahre hinweg in den verschiedensten Maßnahmen gearbeitet, im Mittelpunkt steht dort bis heute die koordinierende und beratende Tätigkeit gegen-über Vereinen, Institutionen und Einzelpersonen im Land. Eine wichtige Aufgabe war und ist die Mitgliedschaft in der Härtefallkommission das Landes Sachsen-Anhalt unter dem Sitz des Innenministeriums des Landes.
Wahnsinn. Dafür ist der Flüchtlingsrat die Ansprechinstitution?
Ja, das ist oftmals die letzte Instanz für Flüchtlinge ein Bleiberecht zu erhalten, wenn alle anderen rechtlichen Mittel ausgeschöpft sind. Ich habe für die Menschen die Anträge und Stellungnahmen geschrieben. Dafür wurde ganz viel Zeit investiert –mit Sprachvermittlung, Kontakte zu Schulen und Ärzten. Das ist deutschlandweit eine Seltenheit. In vielen Bundesländern ist das gar nicht möglich. Ansonsten war der Flüchtlingsrat bei den vielen Veranstaltungen im einewelt haus immer vertreten. „Die Meile der Demokratie“ oder „Der Runde Tisch gegen Ausländerfeindlichkeit“ Wir sind durch das ganze Bundesland gereist. Durch die Gemeinschaftsunterkünfte. Das war auch in den 90er Jahren und Anfang der 2000er noch wirklich schlimm in manchen Regionen.
2017 bist du nach Berlin gegangen. Aber du kommst wieder zurück!
Seit Januar 2019 bin ich offiziell Rentnerin. Meine Tochter wohnt in Berlin und zwei Straßen weiter wurde eine Unterkunft für Ge-flüchtete geöffnet. Da habe ich mich dort beworben. Da ich ja drei Jahre vorher als Sozialbetreuerin, z.B. in Bernburg und Magdeburg in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes gearbeitet habe. Leider wurde der Vertrag in der Unterkunft mit den Maltesern nicht verlängert und so bin ich ab September wieder in MD.
Was zieht dich zurück nach Magdeburg – das einewelt haus?
Ja auch, ich hab meine Wohnung immer noch in Magdeburg. Ich bin ja hier in Berlin nur Gast bei meiner Tochter. Wenn alles gut geht, komme ich auch zum einewelt haus zurück. Mal sehen. Ich bin jemand, der immer in Aktion ist und ich kann mir einfach nicht vorstellen, ab nächstem Monat zuhause zu sitzen. Auch weiterhin einen Kontakt mit allen Menschen aus dieser Welt zu haben.
Bianka, die Frage habe ich im Gespräch mit Juliana auch gestellt: Du bist schon länger im Geschäft. Was können junge Menschen vom einewelt haus lernen?
Man sollte etwas von der Welt sehen, um mitreden zu können. Wie sieht es in anderen Ländern aus? Wir haben einen sehr hohen Lebensstandard, meckern über vieles, sind nie zufrieden.
Vorsitzender der AGSA Gerhard Miesterfeldt hat gesagt: Integration ist kein Sprint sondern ein Marathon. Es gibt sicher Stellen, wo wir heute noch nicht viel weiter gekommen sind, als 1995. Die Aufgaben des einewelt Hauses werden noch lange sehr gleich bleiben, wie bisher. Wie kommentierst du das?
Es wachsen ja immer wieder neue Generationen nach. Die müssen genauso geschult werden, wie wir vor 25 Jahren. Deshalb wird sich das auch nicht ändern. Es kommen immer wieder neue Menschen dazu. Es gehen alte weg. Und dadurch muss man immer weiter offen bleiben und man muss diese Strategie weiter verfolgen. Auch mal mit Veranstaltungen, die vielleicht nicht jeden gleich ansprechen zu bestimmten Themen. Das ist halt auch sehr wichtig, dass sich die Vereine im einewelt haus dem auch stellen. Das man die Menschen informiert: Was passiert in unserem Land eigentlich? In welche Richtung gehen wir? Für mich persönlich verschlägt mir die neue Rechte den Atem.
Wenn du eine Traumreise in die Zukunft machen könntest – zum 50. Geburtstag des ewh. Welche Schlüsselmomente hat es dann in den letzten 25 Jahren gegeben?
Schön wäre es, wenn man hin und her reisen könnte, ohne Angst zu haben, aber das sind nur Träume. Wenn ich alleine an die Situation in Afghanistan denke, dann wird mir übel. Das sind so Dinge, die mich dann schockieren. Man darf nicht aufhören. Im einewelt haus muss es weiter gehen. Veranstaltungen zu diesen wichtigen Themen müssen stattfinden.