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(K)eine Wahl für Unionsbürger:innen?

Mitstimmen

Welche Positionen vertreten sachsen-anhaltische Parteien, wenn es um die Rechte und Wünsche von EU-Bürger:innen geht? Im Rahmen der Europawoche Anfang Mai hat die AGSA gemeinsam mit der Fach- und Servicestelle EUMigration Sachsen-Anhalt (EUmigra) zum Gespräch mit Vertreter:innen der Parteien eingeladen. Das Ergebnis ist der Positionencheck #Unionsbürgerschaft. 

 

Von Ales Janouseck


Arbeit und Kultur

Dr. Katja Pähle (SPD) und Susan Sziborra-Seidlitz (Bündnis90/Die Grüne) haben durch das Los die Gelegenheit bekommen, ihre Standpunkte im Bereich der Arbeit und Kultur als Erste zu erläutern.

 

Katja Pähle betonte die Bedeutung des Verbots der Werkverträge in der Fleischindustrie, was hoffentlich in der Zukunft mehr Absicherung für Menschen aus Unionsstaaten schaffe. Ferner betonte sie die Bedeutung der Kontrollinstanzen und Beratungsangebote: „Wir brauchen eine Verstärkung der Institutionen, die für Arbeitsschutzüberwachung zuständig sind. Das [sind] in Sachsen-Anhalt das Landesamt für Verbraucherschutz [und] der Zoll. [H]ier müssen wir tatsächlich dafür sorgen, dass die Bedingungen, [welche] die Politik setzt, auch eingehalten und kontrolliert werden. Deswegen ist auch zum Beispiel die Beratungsstelle BEMA (Beratung migrantischer Arbeitskräfte), die vom Land gefördert wird, so wichtig und muss auch erhalten und weitergefördert werden, weil wir einfach diese niedrigschwelligen Ansprechsstrukturen brauchen […].“

 

Ähnlich positionierten sich die Grünen. Susan Sziborra-Seidlitz hob des Weiteren die Wichtigkeit der partizipativen Weiterentwicklung des Fachbeirats „Faire Beschäftigung für Migrantinnen und Migranten“ hervor. Ihre Partei möchte ebenfalls gegen Missbrauch von Leiharbeit und Dumpinglöhnen allgemein vorgehen: „Wir wollen Leiharbeit unrentabel machen und damit unattraktiv“.

 

Beide Politikerinnen sind sich im Grunde einig, dass Anstrengungen unternommen werden müssen, die öffentliche Verwaltung für die Interkulturalität zu sensibilisieren, indem Wertschätzung und Begegnungen auf Augenhöhe selbstverständlich werden. Ein wichtiger Schritt sei auch die Festigung und der Ausbau von Sprachmittlungsangeboten.

 

Darüber hinaus sprach Pähle der kulturellen Öffnung in Sachsen-Anhalt weitere Unterstützung zu, ähnlich wie Sziborra-Seidlitz, die ferner auf die Barrieren im Kulturzugang aufmerksam machte.

In der anschließenden Diskussion regte Arturas Miller (Klimaliste Sachsen-Anhalt) an, dass wenn öffentliche Einrichtungen soziale und kulturelle Kriterien bei der Auftragsvergabe stärker berücksichtigt würden, könnte dies Signale in die Privatwirtschaft senden, wodurch sich die Kultur des Arbeitens insgesamt verbessern könnte. Tobias Krull (CDU) wies auf die Herausforderungen hin, welche Institutionen und Politik bei der Aufklärung über Arbeitnehmer:innenrechte begegnen. Henriette Quade (DIE LINKE) plädierte für die Vereinfachung, Systematisierung, Liberalisierung und Entbürokratisierung des Aufenthalts- und Zuwanderungsrechts.


Politische Partizipation

Beim Themenblock Politische Partizipation durften Henriette Quade (DIE LINKE) und Arturas Miller (Klimaliste Sachsen-Anhalt) zuerst ihre Positionen beleuchten.

 

Henriette Quade ging zuerst darauf ein, wie ihre Partei Vielfalt und Pluralität lebt, wobei sie die paritätische Besetzung der Gremien und Wahllisten sowie gendergerechte Sprache betonte. Großen Wert lege die Partei auf die Offenheit gegenüber Nicht-Mitgliedern und Sympathisant:innen. „Für uns als Linke steht fest, wer hier lebt, muss sich im Sinne seiner Menschenrechte auch politisch einbringen können“, womit Quade für die Öffnung des Wahlrechts plädierte. Ihre Partei wolle ferner die Arbeit der kommunalen Integrationsbeiräte stärken.

 

Einerseits durch bestimmte finanzielle Mittel für bessere Beteiligungsformen, andererseits durch Änderungen im Kommunalverfassungsgesetz. Das Einbürgerungsrecht empfindet Quade als zu repressiv und bürokratisiert. Sie wolle sich dafür einsetzen, auf der Landesebene mögliche Spielräume für die Verbesserung zu nutzen. Dies betrifft auch einen respektvollen Umgang mit den Antragsteller:innen.

 

Beim Thema Einbürgerung schlug Arturas Miller ein Punktesystem vor, das als eine strukturierende Übersicht für Antragsteller:innen dienen könnte. Seine Partei unterstütze den Ausbau und die Stärkung der Partizipations-möglichkeiten für Menschen ohne deutschen Pass, die ihren Lebensmittelpunkt hier haben. Ebenso setze seine Partei in der inneren Verfassung auf weiche Frauenquotierung und die Einbeziehung von migrantischen Vereinen in die Entscheidungsprozesse.

 

Zum Thema der politischen Partizipation ergänzte Sziborra-Seidlitz, dass ihre Partei Vorreiter bei der Frauenquote war und durch das Vielfaltsstatut sowie den Diversitätsrat weiterhin diesen Weg beschreite. Katja Pähle akzentuierte die Bedeutung der Mandatsträger:innen mit Migrationserfahrung, während Guido Kosmehl (FDP) für ein modernes Einwanderungsrecht plädierte.


Antidiskriminierungspolitik

Bei den Eingangsausführungen zur Antidiskriminierungspolitik waren sich die Vertreter der CDU (Tobias Krull) und der FDP (Guido Kosmehl) grundsätzlich einig. Beide Parteien wollen eher auf die Evaluierung bestehender Strukturen im Bereich der Antidiskriminierung setzen und diese ggf. verstärken, als ein Landesantidiskriminierungsgesetz auf den Weg zu bringen. Die CDU priorisiert ferner die Sensibilisierung im öffentlichen Dienst und der Verwaltung. Die Vertreter:innen der LINKEN und der SPD und der Grünen plädierten für die Einführung eines Landesantidiskriminierungsgesetzes für Sachsen- Anhalt. Die LINKEN und die Grünen haben dabei das Berliner Pendant als Vorbild im Auge, die SPD betonte die Wichtigkeit eines inklusiven Entstehungsprozesses des Gesetzes unter Einbeziehung von Migrant:innenorganisationen. Im Bereich der Bildung stellte Susan Sziborra-Seidlitz den allgemeinen Ansatz ihrer Partei in den Mittelpunkt: Länger gemeinsam lernen, gerne 10 bis 13 Schuljahre in einem inklusiven Umfeld mit individueller Förderung, denn eine gelebte Vielfalt in der Schule bereite sehr gut auf das Leben in einer vielfältigen Welt vor und wirke der Diskriminierung entgegen. Einen ähnlichen Ansatz des längeren gemeinsamen Lernens befürwortet auch Katja Pähle. Guido Kosmehl betonte die Bedeutung der Mehrsprachigkeit als einer Ressource, welche Förderung bedarf. Tobias Krull schlug als konkrete Maßnahme vor, die mehrsprachige Kompetenz im Schulzeugnis zu vermerken. Eine Benotung sieht er allerdings problematisch. Zur Lösung dieses Problems schlug Katja Pähle vor, das Verfahren für die Anerkennung von Prüfer:innen der muttersprachlichen Kenntnisse zu vereinfachen. Ebenfalls die Grünen und die LINKE stellten ihre Vorschläge vor. Während Henriette Quade als eine mögliche Lösung sah, mehr Menschen mit diversen Muttersprachen den Weg in den Lehrer:innenberuf zu ermöglichen, machte Susan Sziborra-Seidlitz auf die Forderung nach schnellerer und kostengünstigerer Anerkennung von ausländischen Abschlüssen aufmerksam.

 

Trotz der hohen inhaltlichen Dichte konnten weder die Veranstaltung noch dieser Artikel die Gesamtheit der Parteipositionen abbilden.

 

Info: Die Infos reichen nicht aus? Hier findet Ihr den Wahlkompass. Er vergleicht die Positionen der Landesparteien zu den Themenkomplexen Migration und Antidiskriminierung. Eine Initiative der Auslandsgesellschaft Sachsen-Anhalt, des Aktionsbündnis muslimischer Frauen und des Landesnetzwerks Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt.


www.wahlkompass-lsa.de