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Joshua Suwelack im Gespräch mit Bartek Bukowsk

Mitstimmen

Bartek Bukowski kam 1992 von Polen nach Deutschland. Nach 10 Jahren konnte er die deutsche Staatsangehörigkeit beantragen. Er sagt: Organisiert euch und werdet selbst aktiv. So könnt Ihr wirklich Einfluss nehmen.

 

Foto: Joshua Suwelack

Von Joshua Suwelack


Bartek, was denkst du, warum die Diskussion zum Wahlrecht so viele Emotionen weckt?

 

Wir haben in der Gesellschaft auf einer Seite Menschen verschiedener Weltanschauung, die mehr oder weniger international ausgerichtet sind und auf der anderen Seite haben wir Konservative und auch Nationalisten. Alle haben ihre eigene Sicht auf dieses Thema. Meine Meinung dazu: Wenn jemand eine Staatsangehörigkeit bekommt wird er auf das Grundgesetz vereidigt. 

 

Das ist eine ganz wichtige Entscheidung, die man da trifft. Ich bekenne mich zur Verfassung, zum System und dazu, dem Land keinen Schaden zuzufügen - so steht es in der Eidesformel. Dafür muss ich das Land zuerst mal kennen. Durch meine Entscheidungen und mein Wahlverhalten steuere ich dann mit.

 

Aber ist es nicht so, dass auch viele Leute in Deutschland, die großgeworden sind mit der Staatsbürgerschaft, keine Ahnung haben vom System? Und die wählen irgendwas? Inwiefern kann man denn überhaupt Schaden zufügen?

 

Ganz einfach. 1933 hat man schon den Schaden - mehr oder weniger bewusst - zugefügt. Heute sind wir schlauer, weil wir das wissen, was die damals noch nicht wussten.

 

Aber das waren die Deutschen ja selber. Sollen wir den Deutschen die Staatsbürgerschaft entziehen?

 

Nein, darum geht es nicht.

 

Sagst du, dass Menschen, die sich noch nicht so lange mit den Gepflogenheiten und den Bedürfnissen des Landes auseinandergesetzt haben noch nicht so wissen, was der Staat braucht?

 

Wer als Bürger geboren wurde, der braucht keinen Eid zu leisten und ist auch damit nicht gebunden. Das ist nur ein Beispiel, wie man dem Staat Schaden zufügen kann: Wir wählen z.B. irgendwelche "Genies", die den Staat in den Abgrund führen.

Ja, das ist meine Meinung.

 

Aber würdest du nicht grundsätzlich behaupten, dass Menschen, die sich hier ein Leben aufbauen, die hier eine Familie haben und ihre Kinder in die Schule schicken, die hier im Verein sind, dass die auch das Recht haben, mitzuentscheiden, was in dem Land passieren soll?

 

Ja, und es gibt eine Möglichkeit, wo man wirksam mitentscheiden kann: man darf sich von Anfang an in politischen Parteien betätigen, wenn man neu in Deutschland ist. Da hast du direkten Einfluss auf die Gespräche, worüber da gesprochen wird, bist regelmäßig da. Nicht nur alle vier Jahre an der Wahlurne. Du lernst auch etwas mehr über das System, über den Staat. Ich finde, das ist eine viel bessere Möglichkeit. Die Einflussnahme bei der Wahl - die wird wirklich mächtig überschätzt.

 

Du bist 1992 nach Deutschland gekommen. Hast du nicht irgendwann, während du noch keine deutsche Staatsbürgerschaft hattest, gedacht: Jetzt würde ich gerne wählen.

 

Was sollte ich da wählen? Ich hatte keine nasse Ahnung von dem ganzen System und wie das funktioniert. Ich war erst mal so begeistert. Die Menschen haben uns mit offenen Armen empfangen. Das war so eine Atmosphäre bis etwa 1996. Bis zum ersten Sparpaket mit Kanzler Kohl. Dann war Schluss mit Lustig. Hier hat sich die Treuhand breit gemacht. Betriebe wurden eingestampft. Da war auf einmal Angst vor den Ausländern da. Als ob der Ausländer was dafür kann, dass Kapitalisten die Konkurrenz geschlossen haben. Die Wut hat man auf Ausländer gelenkt. Das funktioniert immer und überall.

 

Was denkst du, wie man Menschen ohne Staatsangehörigkeit, die mitentscheiden wollen, mehr in das politische Leben integrieren kann?

 

Man sollte Menschen, die hier auch einen ständigen Wohnsitz haben, die hier Wurzeln geschlagen haben, nicht erst nach 10 oder 12 Jahren aktives Wahlrecht geben. Die einfachste Sache wäre, ihnen die doppelte Staatsbürgerschaft zu erlauben. Und außerdem: Der Schlüssel zu jeglicher Partizipation ist die Sprache. Die Leute müssen Deutsch lernen, weil mit der Sprache erlernst du auch ein bisschen den Denkvorgang. In welcher Sprache möchte ich sonst im Magdeburger Landtag diskutieren? - In Polnisch? Ich muss Deutsch lernen. Das ist ein Prozess. Man lernt dabei verschiedene Sachen. Es geht nicht nur darum, sich zu artikulieren, man kriegt dann auch mehr mit.

 

Bartek, was braucht es für dich persönlich, dass du dich für eine Partei begeistern könntest?

 

Ich habe persönlich das Problem, dass ich einsehr vielschichtiger Mensch bin und habe die Sachen immer in einem breiteren Kontext gesehen. Ich bin links. Ich bin ein bisschen rechts, aber nicht in dem Sinne, wie die AfD. Ich bin rechts im Sinne von Gesetzestreue und Tradition. Ich bin in einem sozialistischen Land aufgewachsen und habe die Vorzüge dieses Staates genossen und ich kann nicht sagen, dass "alles sch... war" in diesem Staat, weil das einfach nicht stimmt. Ich kann nicht lügen. Das ist mein nächstes Problem. Wenn ich da irgendeiner Partei beitrete, habe ich mein Problem, wenn sie anfangen zu spinnen oder irgendwelche Utopien zu verbreiten, dann bin ich schneller raus, als ich rein kam. Darum bin ich bis heute keiner Partei beigetreten, obwohl ich mich als politisch aktiven Menschen betrachte. Ich habe den Bund der Polen in Magdeburg gegründet, weil wir was bewegen wollten. Ich bin seit Jahren in der Deutsch-Polnischen Gesellschaft. In der Gewerkschaft war ich von Anfang an.

 

Denkst du, das Parteipolitik irgendwo auch einfach versagt und es einfach wichtig ist, zu sagen: Leute, engagiert euch.

 

Ja, möglichst viele Vereine gründen. Ob das Sportvereine, Kulturvereine, Tanzvereine, Theatervereine, Gesangsvereine, Kochvereine sind. Gründet: Da seid ihr zusammen, da habt ihr Austausch. Da wisst ihr was läuft. Vereinsleben ist wirklich interessant. Parteien, natürlich, wenn jemand unbedingt will und glaubt, dass da noch was zu ändern ist, ich war schon fast dabei, beizutreten, aber ich habe keine politischen Ambitionen. Meine einzigen Ambitionen waren ein bisschen Einfluss als Bürger darauf zu haben, was man dann mit meinem Steuergeld macht. Und, dass es den Menschen besser geht. Das sollte das Ziel der Politik sein. Wenn du eine fertige Wahlliste bekommst und konntest nicht mitwirken, wer auf die Liste kommt, dann bist du selber Schuld. Dann musst du einer Partei beitreten und dich aktiv einsetzen, dass die richtigen Leute auf die Liste kommen.