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Mein Nachbar Hussam

Hussams Büro liegt mir direkt gegenüber. Trotzdem hatten wir bisher eigentlich gar nichts miteinander zu tun. Er ist Bundesfreiwilliger und unterstützt Neuzugewanderte. Dabei wird er von der Servicestelle “Freiwilligendienste-Integriert in Sachsen-Anhalt" begleitet. Ich mache einen europäischen Freiwilligendienst und Öffentlichkeitsarbeit für die AGSA. Ich hätte gerne mehr über meinen Nachbarn gewusst. Zeit, dass ich einmal anklopfe.

 

Von Francesca Caporali 


Hussam arbeitet im Rahmen des BFD in der Orientierungsberatung für Neuzugewanderte. Am Morgen, wenn ich an seinem Büro im Raum 305 vorbeigehe, finde ich ihn normalerweise schon früh an seinem Schreibtisch vor dem PC, am Telefon, oder in Beratung mit Leuten beschäftigt. Drei Tage pro Woche (Montag, Mittwoch und Donnerstag) kann Hussam von Migrant*innen und Geflüchteten telefonisch oder ohne Corona auch persönlich im einewelt haus erreicht werden, wenn sie Hilfe bei bürokratischen Themen brauchen. Die Rolle von Hussam ist es, einfach ein Problemlöser für Einwanderer*innen zu sein.

 

Seine Aufgaben sind unterschiedlich. Er hilft beim Ausfüllen eines Zettels oder beim Schreiben einer formellen E-mail, macht Termine mit Ärzt*innen oder bei der Ausländerbehörde, vermittelt zwischen den Parteien, wenn es Probleme mit einer Stromfirma gibt usw.: “Es gibt immer so viele Zettel hier!” , sagt er mir lachend. Aber dank seiner Erfahrung im Bereich Verwaltung kann er seine Arbeit gut erledigen und hat jetzt ein gutes Maß an Unabhängigkeit erreicht. Hussams Arabisch- und Englischkenntnisse ermöglichen es ihm außerdem, als echter Vermittler zwischen zwei verschiedenen Welten zu agieren.

 

Dass er für diese Rolle so gut geeignet ist, liegt wohl daran, dass Hussam selbst geflüchtet ist und sich bei seiner Ankunft in Deutschland auch mit dieser Bürokratie auseinandersetzen musste.

 

Mein und Hussams Hintergrund unterscheiden sich: Ich komme aus Italien. Hussam wurde in Libyen geboren, ist aber in Syrien aufgewachsen. Lange bevor er in Deutschland angekommen ist, ist Hussam schon viel gewandert - auf der Suche nach einem Land, das ihm Stabilität geben würde. Nach Abschluss einer Ausbildung im Libanon im Bereich Geschäft und Verwaltung hat er 2007 in Dubai bei einer internationalen Schule gearbeitet. Als 2015 sein Arbeitsvertrag auslief, durfte er ohne Aufenthaltserlaubnis nicht in den Arabische Emiraten bleiben. Deshalb hat er sich entschieden, nach Europa zu reisen. Ausgehend von der Türkei hat er sich mit seinen Kindern auf eine anstrengende und gefährliche Reise auf einem Boot begeben, die es ihm schließlich ermöglichte, am 15. Oktober 2015 in Magdeburg anzukommen. Der Anfang in Magdeburg war schwer für ihn. Ein ganzes Jahr lang ist er in einer Unterkunft geblieben, ohne sich eine Arbeit suchen zu dürfen, bis er und seine Familie den Asylantrag bestätigt bekommen haben. Aber selbst, als er grünes Licht für die Jobsuche bekam, war es eine andere Geschichte, tatsächlich etwas zu finden.

 

Da ist der BFD ins Spiel gekommen. Wie Hussam sagt, hat dieser Freiwilligendienst für ihn eine wertvolle Gelegenheit dargestellt, um sich in der deutschen Arbeitsumgebung zu testen.

 

Als er eines Tages ein paar Türen weiter im EWH-Infobüro vorbeischaute, um sich nach möglichen Stellenangeboten bei der AGSA zu erkundigen, wurde ihm die BFDler-Stelle bei der Orientierungsberatung vorgeschlagen. Hussam hat die Chance ergriffen, weil er erkannt hat, dass dies eine Möglichkeit ist, seine Berufsaussichten zu erweitern. Seine Hauptschwierigkeiten bei der Arbeitssuche hatten in der Tat mit seinen fehlenden Sprachkenntnissen und wenig Berufserfahrung in Deutschland zu tun. Dank des BFD konnte er sein Netzwerk an Kontakten ausbauen und durch den von seinem BFD-Kollegen Andreas angebotenen Deutschkurs "Deutsch im Alltag " mehr Sprachpraxis erlangen.

 

“Die Sprache war am Anfang der schwierigste Teil meiner Arbeit” , hat mir Hussam gesagt und ich kann ihn sehr gut verstehen. Aber dank der ständigen Unterstützung seiner Kolleg*innen, die ihn als Teil des Teams willkommen geheißen haben, fühlte er sich stets von einem Netzwerk von Menschen umgeben, auf die er sich verlassen konnte: “Maja, Manja und Andreas haben mir sehr geholfen und ich habe viel von ihnen gelernt” . 

 

Hussam ist sehr dankbar für Angebote, wie den BFD, die für Neuzugewanderte wie ihn etwas bewirken können. Zusätzliche Aktivitäten, wie monatliche Seminare oder Museumsbesuche, bringen ihnen die deutsche Kultur näher. Widerwillig wird Hussam die AGSA früher oder später verlassen müssen, aber wie er sagt: "Ich werde diese Erfahrung immer mit mir tragen und ich werde zu Besuch kommen, um meine tollen Freunde wieder zu sehen!"